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Antifa heißt waschen

Erfolgreiche Inszenierung linker Subkultur: Der FC Sankt Pauli hat Ärger mit der AfD und dem Waschmittelkonzern Henkel

»Anti-FA - die wilde Frische der Straße« ist kaum im Regal und schon ausverkauft. Vor anderthalb Wochen brachten der FC St. Pauli und die Drogeriekette Budnikowsky das Solidaritätsduschgel in den Handel. Mitverantwortlich für den Run auf die Produkte dürften auch der AfD-Abgeordnete Martin Hess und der Klebe- und Waschmittelkonzern Henkel sein.

Wie erfolgreich die linke Waschkampagne ohne die rechte und konzernseitige Intervention geworden wäre, muss im Dunkeln bleiben. Der altbekannte Sprechchor der St. Pauli-Fans endet immerhin auf: »Wir waschen uns nie - Sankt Pauli«. Nun waschen sie sich antifaschistisch.

Wieder einmal hat die Marketing-Abteilung des Vereins bewiesen, dass sie »etwas drauf hat« und ihr Gehalt nicht für's Fußball gucken bekommt. In dem Logo des Duschgels stecken viele Anspielungen. Das fängt an beim Anti, also einfach dem Dagegen-Sein. Bedeutsam ist ebenfalls das »FA«, über das sich Henkel nun echauffierte und sogar mit rechtlichen Schritten drohte. Und natürlich das Afd-Politiker Hess zur Weißglut treibende »Antifa«.

Das ist die weithin bekannte Abkürzung für Antifaschismus, bei der die Rechtsaußenpartei AfD einen besonders hohen Blutdruck bekommt. Hinzu kommt mit dem Slogan »wilde Frische der Straße« die Anspielung auf Hafenstraße, Rote Flora, Gängeviertel oder G20 – es ist für jede*n was dabei. Geziert ist das Ganze mit einem roten Stern, der sicher nicht für Weihnachtsdekoration steht.

Vereinsgeschäftsführer Andreas Rettig ist zufrieden mit seiner Crew. Gegenüber »Bild« sagt er: »Ein Lob an unsere kreative Marketing-Abteilung. Wenn sich solche Leute aus dieser Partei aufregen, haben wir etwas richtig gemacht.« Doch Hess agiert politisch ebenfalls nicht ungeschickt.

In seiner Pressemitteilung zielt er auf die Gemeinnützigkeit des Vereins ab: »Das ist inakzeptabel. Ein gemeinnütziger Verein darf Antifa nicht als Kultmarke etablieren«, sagt der 47-Jährige. Die Gemeinnützigkeit eines Vereins stellt diesen im Steuerrecht besser. Der Staat geht davon aus, dass diese Vereine der Allgemeinheit Dienstleistungen zur Verfügung stellen und damit die Gesellschaft über den Verein hinaus profitiert.

Zum anderen versucht Hess bei der Polizei auf Kosten des Fußballclubs zu punkten: »Jedes Wochenende sorgen Tausende von Polizisten bei Profi-Fußballspielen für Sicherheit. Mit dem Antifa-Duschgel verhöhnt der FC St. Pauli all jene Kollegen.«

Jenseits von Fragen von Waschmittelvorlieben bei Polizei oder St.Pauli-Fans dürfte das Verhältnis ohnehin immer noch etwas unterkühlt sein. Denn beim Auswärtsspiel gegen Arminia Bielefeld waren mehrere hundert Fans des Vereins von der Polizei bis zu sechs Stunden am Bielefelder Bahnhof festgehalten worden, während andere Anhänger des Vereins im Stadion dieses nicht verlassen durften. Welche schweren Straftaten diese Maßnahme rechtfertigte, konnte die Polizei-Pressestelle zum damaligen Zeitpunkt auch nicht beantworten. Der Verein kündigte danach die Prüfung rechtlicher Schritte gegen die Polizei an.

Nach kurzem Waschmittelskandal sind jetzt alle zufrieden, außer der AfD. Der FC St. Pauli hat sich erneut und über Fanszene und Stadtteil hinaus als widerständig und unkommerziell in der öffentlichen Wahrnehmung platziert. Der Verein »Laut gegen Nazis« kann sich freuen, weil die Einnahmen aus dem Verkauf an ihn gehen. Die komplette Serie aus Duschgel, Creme und Seife ist fast vollständig ausverkauft. Vereinssprecher Christoph Pieper gibt an, dass die für die Aktion »produzierten Chargen ausverkauft sind. Wir gehen auch davon aus, dass sowohl Seife als auch Softcreme bis Ende der Woche auch ausverkauft sind.«

Aus Unternehmenssicht kann Henkel einen Erfolg für sich verbuchen. Das Unternehmen hat erreicht, dass das Produkt nicht weiter vertrieben wird, wenn es ausverkauft ist. Laut Angabe des Konzerns habe man eine Übereinkunft mit der Drogeriekette Budnikowski erreicht. Gegenüber »nd« sagt Henkel: »Wir freuen uns mit Budnikowsky eine einvernehmliche Lösung gefunden zu haben. Die Produkte aus dieser Sonderaktion werden nur sehr eingeschränkt vermarktet.«

Das Unternehmen hatte angekündigt sich rechtlich gegen »Anti-FA« zu wehren. Die Drohung markenrechtlicher Konsequenzen begründete der Konzern unter anderem mit negativen Reaktionen: »Das Feedback von Konsumenten & die Diskussionen in sozialen Netzwerken zeigen, dass der Produktname «Anti-FA» für ein Duschgel Irritation & Unverständnis auslöst. Auch vor diesem Hintergrund ist es uns wichtig zu betonen, dass diese Aktion ohne unser Wissen erfolgte.«

In sozialen Netzwerken hatten antifaschistische Henkel-Kunden aber auch mit Boykott des Waschmittelkonzerns gedroht, sollte dieser markenrechtlich gegen »Anti-Fa« vorgehen. Auf die Frage, ob diese Henkel-Kunden nicht auch für den Konzern wichtig seien, antwortete Henkel am Donnerstag nicht.

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