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Russen dürfen zu den Paralympics

IPC beschließt den Start von Behindertensportlern unter neutraler Flagge, ihr Verband bleibt aber suspendiert

Die größten Sportveranstalter haben ein neues Hobby. Sie wollen schaffen, was noch niemandem gelungen ist: Beweisen, welche Leistungssportler dopingfrei an den Start gehen und welche eben nicht. Schon das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte im Dezember entschieden, russische Athleten an den Winterspielen in Pyeongchang im Februar unter neutraler Flagge starten zu lassen - allerdings nur jene, bei denen man sichergehen könne, dass sie sauber sind. Die paralympischen Kollegen vom IPC verkündeten am Montag einen ganz ähnlichen Schritt. Auch bei den Spielen der besten Behindertensportler im März werden also Russen starten dürfen, obwohl ihr Verband gesperrt bleibt.

Im Sommer 2016 - kurz nach der Veröffentlichung des ersten McLaren-Reports über ein staatlich gelenktes Dopingsystem - hatte das IPC alle Russen von seinen Wettbewerben in Rio de Janeiro ausgeschlossen. »Russlands Anti-Dopingsystem war korrumpiert und zerstört. Wir konnten den anderen Athleten nicht sicher sagen, welche ihrer russischen Gegner sauber waren und welche nicht«, erläuterte der vor Kurzem neu ins Amt gewählte IPC-Präsident Andrew Parsons am Verbandssitz in Bonn die damaligen Hintergründe. »Heute aber haben wir eine andere Situation. Das RPC hat große Fortschritte gemacht, und die müssen wir anerkennen.«

Das Russische Paralympische Komitee (RPC) habe sich also verbessert, das sei von einer unabhängigen »Task Force« bestätigt worden, erklärte Parsons. Trotzdem bleibt das RPC aber suspendiert. »Natürlich würden die Sportler gern für ihr Land starten, doch Russlands Weigerung, Verantwortung für den größten Dopingskandal zu übernehmen, sollte nicht belohnt oder gefeiert werden«, begründete die kanadische IPC-Athletensprecherin Chelsey Gotell diesen Entschluss, der erneut damit begründet wurde, dass die Welt-Antidoping-Agentur WADA die russischen Dopingjäger der RUSADA weiterhin nicht als regelkonform einstuft, und dass Russland offiziell noch immer die Ergebnisse des Sonderermittlers Richard McLaren anzweifelt und abstreitet. Andrew Parsons gibt zwar zu, dass beide Kriterien nicht in der Hand des RPC liegen, doch seien dies nun mal die festgelegten Kriterien für eine Aufhebung der Suspendierung: »Jemand anderes muss da endlich mal etwas unternehmen«, sagte Parsons, ohne Namen zu nennen.

An anderer Stelle wurde der Brasilianer dann viel deutlicher: »Heute können wir garantieren, dass sie sauber sind«, sagte Parsons über jene russischen Behindertensportler, die nun vom IPC nach Südkorea eingeladen werden. Schließlich stünden sie unter Beobachtung der WADA und des IPC. Als Beweis sollen vor allem zwei Dinge dienen: alle Sportler müssen zwei mal in den vergangenen sechs Monaten getestet worden sein, und ihre Namen dürfen in keinem Bericht über das russische Dopingsystem auftauchen. Das IPC rechnet damit, dass 30 bis 35 Russen in Pyeongchang antreten werden.

Bei der WADA dürfte das Kopfschütteln hervorrufen. Kein ernstzunehmender Antidopingkämpfer würde in zwei negativen Dopingtests einen Nachweis der Sauberkeit sehen. Wenn überhaupt, dann dienen allein positive Tests als Nachweis dafür, dass ein Sportler nicht sauber ist. Manche Mittel sind den Kontrolleuren noch gar nicht bekannt, manche können gar nicht nachgewiesen werden und wieder andere baut der Körper so schnell ab, dass sie wenige Tage nach der Einnahme nicht mehr entdeckt werden können.

Anscheinend hatten auch einige Mitglieder des IPC-Verwaltungsrats so ihre Zweifel daran, dass ihr Verband all diese Probleme nun plötzlich lösen kann, denn die Entscheidung, Russen unter neutraler Flagge starten zu lassen, fiel nicht einstimmig. Dabei ist das Kontrollnetz im Behindertensport noch weit weniger dicht als das olympischer Athleten. In Rio etwa wurden für die mehr als 4300 Athleten bei den Paralympics nur 1500 Dopingtests angesetzt. Es gab nicht einmal verpflichtende Tests für Medaillengewinner.

Der Deutsche Behindertensportverband (DBS) kritisierte die Entscheidung. »Ein Start von Athleten aus Russland nach dem Sündenfall von Sotschi ist ein Schlag ins Gesicht der sauberen Sportler«, sagte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher. »Leider hat sich das IPC irgendeinem Druck gebeugt.« Monoskifahrerin Anna Schaffelhuber sah das etwas anders: »Es sollte definitiv ein Zeichen gegen ein staatliches Dopingsystem gesetzt werden. Das geschieht«, sagte die Goldmedaillengewinnerin von Sotschi. »Ich habe aber ein Problem mit einem Generalverdacht gegenüber Sportlern.«

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