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Weltretter-Fraktion wird 40

An diesem Donnerstag feiern die Berliner Grünen im Abgeordnetenhaus ein großes Jubiläum

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die ganz große Sause muss coronabedingt leider ausfallen. Ursprünglich wollte die Grünen-Fraktion an diesem Donnerstag zum 40-jährigen Parlaments-Jubiläum eine Party mit 2000 Gästen veranstalten. Doch nun findet alles digital statt – mit Grußworten von Weggefährten, aber auch politischen Gegnern wie dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). »Allein die Tatsache, dass wir eine digitale Jubiläumsfeier feiern, wird in die Geschichte der Fraktion eingehen«, sagt Antje Kapek, eine der beiden Fraktionschefinnen der Grünen im Abgeordnetenhaus. Im Mai 1981 gelang seinerzeit der Alternativen Liste mit 7,2 Prozent der Einzug ins Abgeordnetenhaus in West-Berlin, das damals noch im Rathaus Schöneberg tagte. Am 11. Juni 1981 fand die konstituierende Sitzung des Parlaments statt, daran orientiert sich das Jubiläum.

Von den Anfangsjahren, dem heftig ausgefochtenen Gegensatz zwischen dem linken Flügel und den Realos ist in Berlin heute nur noch wenig zu spüren. »Die ersten zehn bis 15 Jahre waren insgesamt wild«, räumt Kapek ein. Sie kennt die Geschichten aus jener Zeit aus eigener Erfahrung, ihr Vater war in den 1980er Jahren nämlich in der Alternativen Liste aktiv. Zuletzt waren die Flügelkämpfe 2011 offen ausgetragen worden, damals hatte die linken Grünen offen damit gedroht, gegen die Realos eine eigene Politik in der Fraktion durchzusetzen. »2011«, erinnert sich Kapek, die selber dem linken Flügel zugerechnet wird, »war eine ausgesprochen schwierige Situation für uns Grüne insgesamt.«

Seitdem hat sich einiges verändert, die offizielle Geschichte geht so: Nach einer Mediation und viel Konfliktbearbeitung ist es gelungen, die verschiedenen Lager wieder zusammenzubringen. »Wir haben die letzten vier bis fünf Jahre wahnsinnig harmonisch zusammengearbeitet«, betont Kapek. Und: »Die Geschlossenheit, die wir haben, ist das größte Pfund!« Zum vollständigen Bild gehört aber allerdings auch, dass der linke Flügel in Berlin in den vergangenen Jahren immer stärker geworden ist, während die Realos zeitgleich an Bedeutung eingebüßt haben. Das Flügelschlagen ist also nicht verschwunden, sondern nur nicht mehr so sichtbar.

Am Ende gab es aber auch eine inhaltliche Klammer. »Unser Anspruch war es immer, die Welt zu retten«, sagt Kapek. Als »Weltretterin« läuft sich unterdessen Bettina Jarasch warm, eine Reala, die die Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl angetreten ist, nachdem Kapek und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, wie Jarasch ebenfalls Reala, verzichtet haben. Jaraschs Mission ist es, die Grünen in Berlin an die Spitze zu führen. »Wir treten an, um die Regierung anzuführen, wir führen in den Umfragen«, sagt Jarasch. Die Spitzenkandidatin und Abgeordnete skizziert den Wandel im Verlauf der vier Jahrzehnte, von der Anti-Partei-Partei, über die »Bewegungspartei« hin zur Bündnispartei, die den Klimaschutz, die Gerechtigkeit und die Vielfalt in der Gesellschaft vorantreiben will. Dabei gab es auch Kontinuitäten: Die Alternative Liste beispielsweise forderte schon Mitte der 1980er Jahre eine »autofreie Stadt«, Anfang der 1990er Jahre blockierten Grüne das Brandenburger Tor, damit es nicht mehr vom Autoverkehr durchfahren wird und Ende 2009 plakatierten die Grünen großflächig gegen die A 100. Mit Blick auf die aktuellen Proteste gegen die A 100-Verlängerung sagt Kapek: »Wir haben immer gesagt, das ist eine Verkehrspolitik der 1960er Jahre, lasst uns zusammen in der Zukunft ankommen.«

Wie stark die Grünen künftig die Politik in Berlin bestimmen, wird sich am 26. September zeigen. Bei der Wahl wollen sich die Grünen, die schon mal Umfragesieger blieben, als ausdrückliche »Antipode« zur AfD aufstellen. »Wir sind eine Berlin-Partei, die in Ost und West stark ist«, sagt Jarasch. Dass die Grünen auch Wurzeln der Bürgerrechtsbewegung im Osten haben, geht bei der Pressekonferenz zum 40-jährigen Jubiläum indes etwas unter. Dabei war der Zuwachs aus dem Osten seinerzeit wichtig. Denn nach 1989 mussten die »Weltretter« selber vor der drohenden Bedeutungslosigkeit gerettet werden.

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