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Gregor Gysi bleibt beim »vielleicht«

Linksfraktionschef will in Bielefeld »vielleicht einen Satz sagen, dass Überlegungen um meinen Rückzug unbegründet waren« / Werbung für Regierungsorientierung / SPD-Politiker Kahrs nennte Linke »Trümmerhaufen«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Eine Woche vor dem Bundesparteitag der Linken in Bielefeld, bei der mit einiger Spannung eine Rede von Gregor Gysi erwartet wird, bei der dieser sich zu seiner politischen Zukunft äußern könnte, hat der Linksfraktionschef das Klima unter den Abgeordneten im Bundestag gelobt. Er empfinde den Umgang mit ihm »als sehr angenehm, das war nicht immer so«, sagte Gysi dem »Tagesspiegel«. Im Moment würden ihn »alle in der Fraktion so anständig« behandeln, wie er das »bisher noch nicht erlebt habe«.

Zuletzt hatte es Spekulationen darüber gegeben, ob Gysi bei der anstehenden Wahl zur Fraktionsspitze im Herbst noch einmal antreten wird. In der Partei wird damit gerechnet, dass sich der langjährige Frontmann der Linken auf dem Parteitag in Bielefeld dazu äußert. Gegenüber der Zeitung sagte er nun, werde bei der für kommenden Sonntagmittag angesetzten Rede »vielleicht einen Satz dazu sagen, dass die Überlegungen um meinen Rückzug unbegründet waren«.

Gegenüber der »Tageszeitung« sagte Gysi auf die Frage, ob er in Bielefeld verkündet, wie es weitergeht: »Kann sein. Vielleicht sage ich dort, dass ich nicht mehr kandidiere. Vielleicht aber auch erst auf dem nächsten Parteitag. Oder auf dem übernächsten. Spätestens mit neunzig ist aber Schluss.«

Derweil bot Gysi dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel Gespräche über die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung schon vor Ablauf der laufenden Wahlperiode an. Auf die Frage des »Tagesspiegel«, ob seine Partei bei einem Bruch des schwarz-roten Bündnisses zu Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten bereit sei, sagte der Linkenpolitiker: »Selbstverständlich, mit inhaltlichen Forderungen.« Und weiter: »Die SPD könnte morgen den Kanzler stellen, wenn sie nur wollte. Wir können auch gerne Neuwahlen machen. Aber zu alledem fehlt der SPD offenbar der Mumm.« Ähnlich hatte sich Gysi bereits Anfang der Woche gegenüber »neues deutschland« geäußert.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs wies Gysis Offerte schroff zurück: »Weder SPD noch Grüne wollen und können mit diesem Trümmerhaufen von linker Bundestagsfraktion zusammenarbeiten«, sagte er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Für das Zustandekommen eines rot-rot-grünen Bündnisses kann sich Gysi auch Kompromisse in der Außenpolitik vorstellen. Der Linkenpolitiker unterstrich dabei, dass »vor allem Kriegseinsätze wie in Jugoslawien, Afghanistan, Irak und Libyen« mit der Linkspartei »nie in Frage« kämen. »Aber ich glaube, die will auch die SPD nicht mehr. Bei Rüstungsexporten könnte es schwierig werden. Aber wenn wir es schafften, dass in Spannungsgebiete und an Länder wie Saudi-Arabien und Katar keine Waffen und Panzer mehr geliefert würden, wäre das schon ein gewaltiger Fortschritt«, sagte Gysi. Seine Partei müsse »natürlich auch begreifen, dass wir eine Zehn-Prozent-Partei sind und nicht eine 50-Prozent-Partei«. Zu anderen außenpolitischen Themen sagte er, »im Augenblick gäbe es mit den Grünen sicherlich Debatten wegen des Verhältnisses zur Ukraine und zu Russland. Aber mit der SPD käme man bei diesem Thema eher hin.«

Gegenüber der »Tageszeitung« prognostizierte Gysi, der letzte Parteitag vor der Bundestagswahl 2017 werde »beschließen, dass wir für eine Regierung zur Verfügung stehen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Zusätzlich wird er aber überflüssige rote Linien für Koalitionsverhandlungen ziehen wollen, obwohl das Wahlprogramm reicht. Überflüssig deshalb, weil man seiner eigenen Verhandlungsdelegation trauen sollte.« Der Linkenpolitiker forderte seine Partei dazu auf, »positiver« zu »werden, was die Regierungsmitverantwortung angeht. Wenn, dann soll sie an den anderen scheitern und nicht an uns. Das heißt nicht, dass man sich anbiedern muss. Man muss aber ausstrahlen, dass man die Gesellschaft ändern will.« nd

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