LINKE nennt Gefeilsche um Asylrecht »beschämend«

Bund und Länder einigen sich auf Neuordnung der Flüchtlingshilfe / Grüne wollen beschlossene Einreisesperren prüfen lassen / Bundesrat winkte Asylgesetzreform durch

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Update 12.50 Uhr: Katina Schubert, Geschäftsführendes Mitglied im Parteivorstand der LINKEN, und Bundgeschäftsführer Matthias Höhn haben den Beschluss des Bundesrates und die zähen Verhandlungen »auf dem Rücken der Flüchtlinge« kritisiert. »Die geschlossenen Vereinbarungen im Vorfeld der heutigen Bundesratssitzung und auch die Beschlüsse des Bundesrates selbst, liegen am unteren Ende dessen, was möglich und - vor allem - nötig gewesen wäre«, heißt es in einer Erklärung der beiden Politiker. Das Gefeilsche um Zahlen sehen sie als Gefahr, die die ablehnende Haltung vieler Menschen und rassistisch motivierte Proteste verstärken könnte. Als »beschämend für die Idee eines vereinten Europas« bezeichneten Schubert und Höhn die Regelung zur Einschränkung des Rechts auf Freizügigkeit.

Update 12.50 Uhr: Die Asylrechtsreform könnte auf den Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts kommen. Das Verwaltungsgericht Münster stößt sich an der Einstufung Serbiens als sicheres Herkunftsland (Az.: 4 L 867/14.A). In einem rechtskräftigen Beschluss habe das Gericht dem Eilantrag einer asylsuchenden serbischen Roma-Familie entsprochen und ihr vorläufigen Schutz vor Abschiebung gewährt, teilte ein Gerichtssprecher am Freitag mit. Es sei unklar, ob der Gesetzgeber das Vorhandensein politischer Verfolgung in Serbien ausreichend geprüft habe.

Die Asylanträge der Familie waren vom Bundesamt für Flüchtlinge abgelehnt worden. Derzeit sprächen erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidungen des Bundesamts aufgehoben würden, erläuterte der Sprecher. Sollten sich die Zweifel des Gerichts im weiteren Verfahren nicht auflösen, werde es diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorlegen.

Serbien gilt seit dem 6. November - ebenso wie Mazedonien, Bosnien und Herzegowina - als sicherer Herkunftsstaat. Flüchtlinge von dort können dadurch schneller zurückgeschickt werden.

Update 12.30 Uhr: Die Grünen wollen das am Freitag vom Bundesrat beschlossene Gesetz zu Einreisesperren gegen EU-Bürger europarechtlich überprüfen lassen. Ihr innenpolitischer Sprecher Volker Beck forderte die EU-Kommission nach eigenen Angaben vom Freitag dazu auf, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Neue Wiedereinreisesperren gegen Unionsbürger verstießen gegen die Freizügigkeitsrichtlinie der Europäischen Union »und stellen die Idee eines modernen, freien und demokratischen Europas in Frage«, erklärte Beck.

Die Zweifel, ob die rechtliche Ausgestaltung der Wiedereinreisesperren mit dem Grundrecht der Unionsbürger auf Freizügigkeit vereinbar ist, solle geklärt werden, forderten auch die Vorsitzenden von Partei und Fraktion der Grünen, Simone Peter und Katrin Göring-Eckardt.

Die Einreisesperren sollen dem Gesetz zufolge dann gelten, wenn sich der Aufenthalt eines Zuwanderers in Deutschland auf Rechtsmissbrauch oder Betrug gründet. Die Neuregelung ist Teil des Gesetzes gegen Sozialmissbrauch, mit dem die große Koalition auf die Diskussion über die sogenannte Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien reagiert hat.

Zu dem Gesetz gehört auch die Festlegung, dass sich EU-Bürger nur noch sechs Monate in Deutschland aufhalten dürfen, um hier eine Arbeit zu suchen. Kindergeld soll nur noch gezahlt werden, wenn der zugewanderte Antragsteller eine Steuer-Identifikationsnummer vorlegt. So sollen Doppelzahlungen verhindert werden.

Bund und Länder einigen sich auf Neuordnung der Flüchtlingshilfe

Bund und Länder haben ihren Streit um die Kosten für die Versorgung von Flüchtlingen in letzter Minute beigelegt. Der Bund will Ländern und Kommunen 2015 und 2016 jeweils bis zu 500 Millionen Euro bereitstellen - als Entlastung für steigende Kosten für Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. Die Länder sollen die Hälfte der Summe innerhalb von 20 Jahren zurückzahlen.

Im Gegenzug stimmte der Bundesrat am Freitag dem Asylbewerberleistungsgesetz und dem EU-Freizügigkeitsgesetz zu. Mit der umstrittenen Reform wird die Höhe der Leistungen für die Betroffenen künftig ähnlich wie bei Hartz IV ermittelt. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Leistungen 2012 als unvereinbar mit dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum erklärt.

Wie »Spiegel Online« berichtet, konnten sich die Grünen in den Verhandlungen mit ihrer zentralen Forderung nach der Einführung einer Gesundheitskarte für Flüchtlinge durchsetzen. Wie das Nachrichtenportal berichtet, soll die Gesundheitskarte künftig in allen Flächenländern gelten. Bisher müssen Flüchtlinge im Fall einer Erkrankng zunächst einen Behandlungsschein beim jeweiligen Landratsamt beantragen.

Mit der Änderung des Freizügigkeitsgesetzes sollen Betrugsfälle im Bereich Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sowie beim Bezug von Kindergeld innerhalb der EU verhindert werden. Verschiedene Flüchtlingsinitiativen hatten vor einer Zustimmung der Länder zur Asylrechtsreform gewarnt. Die Neuregelung halte »an verfassungswidrigen Kürzungen beim Existenzminimum, diskriminierenden Sachleistungen und einer lebensgefährlichen Minimalmedizin fest«, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Pro Asyl und dem Flüchtlingsrat Berlin.

Das Gesetz verweigere ohne Begründung Mehrbedarfe etwa wegen Schwangerschaft, heißt es in der Erklärung. Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, zum Zweck des Leistungsbezugs eingereist zu sein oder nicht ausreichend an ihrer eigenen Abschiebung mitzuwirken, sollten dauerhaft gekürzte Leistungen erhalten. »Dabei überlässt das Gesetz die Höhe der Kürzung der Willkür der örtlichen Sozialämter.« Agenturen/nd

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