Berliner SPD macht sich auf Parteitag Mut

Liberale Innenpolitikerin Eva Högl auf Platz eins der Landesliste

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Berliner Sozialdemokraten ziehen mit Eva Högl als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf. Das entschieden die Delegierten der Landesvertreterversammlung am Samstag. Högl, die seit 2009 im Bundestag sitzt, wurde mit 91,4 Prozent der Stimmen gewählt. »Wir wollen raus aus der Großen Koalition. Wir wollen andere Mehrheiten, wir brauchen einen Politikwechsel«, rief Högl, die Vize-Fraktionschefin ist und den Wahlkreis Berlin-Mitte zweimal direkt gewonnen hat, den Delegierten im Estrel Hotel in Neukölln unter großem Applaus zu. Sie wolle sich weiterhin für Frauenrechte einsetzen und für ihr Herzensthema, ein humanitäres Asylrecht. Sie freue sich über die deutliche Rückendeckung der Partei, erklärte die 48-Jährige Juristin.

Im Vorfeld war über eine Kampfkandidatur um den ersten Listenplatz gemunkelt worden. Dazu kam es mangels eines Alternativkandidaten nicht. Annika Klose, Landesvorsitzende der Jusos, zeigte sich mit der Wahl Högls als Spitzenkandidatin zufrieden. »Es ist ein absolut wichtiges Signal, mit einer liberalen Innenpolitikerin wie Högl in den Bundestagswahlkampf zu ziehen«, sagte Klose.

Auf den zweiten Platz wählten die Sozialdemokraten den Bundestagsabgeordneten Swen Schulz aus Spandau, die Parteilinke Cansel Kiziltepe aus Friedrichshain-Kreuzberg geht auf dem dritten Platz an den Start. Den vierten Listenplatz eroberte Klaus Mindrup aus Pankow. Im Kampf um dem fünften Platz setzte sich Mechthild Rawert aus Tempelhof-Schöneberg mit einer klaren Mehrheit der Stimmen gegen ihre Gegenkandidatin Ute Finckh-Krämer aus Steglitz-Zehlendorf durch.

Mit Spannung wurde die Wahl des sechsten und damit letzten realistisch aussichtsreichen Listenplatzes erwartet. Gleich vier Kandidaten hatten sich beworben. Am Ende gewann knapp Tim Renner aus Charlottenburg-Wilmersdorf. »Ich freue mich sehr über das Vertrauen der Delegierten und sehe meinen guten Listenplatz auch als Verantwortung«, sagte Renner, der von 2014 bis 2016 Berliner Kulturstaatssekretär war und erst seit drei Jahren SPD-Mitglied ist. Die SPD habe ein Repräsentationsproblem, wenn es um die Jugend gehe, meinte Renner. Mit einem deutlichen kunst- und kulturpolitischen Schwerpunkt will der 52-Jährige um Wählerstimmen in seinem Bezirk werben.
Mit der Aufstellung der Landesliste, die insgesamt 14 Plätze umfasst, hat die SPD als letzte bedeutende Partei in Berlin ihre Kandidaten für die Bundestagswahl ernannt. Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller sprach von einem »starken Team für den Bundestag«.

Für den auf die Landesvertreterversammlung folgenden Parteitag stimmte Müller die Genossen mit einer kämpferischen Rede ein. »Wir dürfen nicht nur über vergangene Arbeitsmarktreformen sprechen. Wir müssen die Position des Arbeitnehmers in der heutigen digitalisierten Welt betrachten und diese zum inhaltlichen Schwerpunkt machen«, sagte Müller mit Referenz auf die anhaltenden Diskussionen um Hartz IV. Müller forderte seine Partei auf, trotz der schlechten Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen selbstbewusst in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. »Wir müssen in die Zukunft blicken. Noch ist nichts entschieden«, erklärte Müller. Bis in den späten Abend hinein diskutierten die Delegierten die inhaltlichen Anträge.

Ganze 270 Seiten umfasste die Antragssammlung. Überraschungen gab es keine. Die Delegierten sprachen sich wie erwartet gegen den per Volksbegehren geforderten Weiterbetrieb des Flughafens Tegel aus, sobald der BER eröffnet wird. Eine vom Fachausschuss der Partei geforderte Begrenzung des Flugverkehrs wurde abgelehnt. Ein von den Jusos eingereichter Antrag zur Nichtausweitung der Videoüberwachung wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt. Einen Erfolg konnten die jungen Sozialdemokraten dennoch verbuchen: Die Delegierten nahmen einen Juso-Antrag an, der die Absenkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahren bei den Abgeordnetenhauswahlen fordert.

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