Verfassungsschutz Hessen verharmlost rechte Gewalt

Innenminister Beuth (CDU) sieht Islamismus als zentrale Gefahr für Hessen / LINKE: CDU bleibt weiter beratungsresistent nach Fehleinschätzungen zum NSU-Komplex

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Fackeln des rechten Mobs im sächsischen Bautzen sind kaum erloschen, die Mistgabeln noch nicht gänzlich wieder im Schrank verschwunden, da wird schon eifrig Öl nachgegossen und zwar vom hessischen Innenministerium. Dem zufolge bestünde nicht etwa durch die wachsende Zahl rechtsmotivierter Anschläge eine Gefahr für die freiheitliche Grundordnung, sondern viel mehr durch islamistischen Terror.

»Die schrecklichen Anschläge der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der islamistische Terrorismus in Europa und auch in Deutschland angekommen ist«, heißt es gleich zu Beginn des Landesverfassungsschutzberichts in einem Vorwort des hessischen Innenministers, Peter Beuth (CDU). »Rechtsextremistische Propaganda- und Gewaltdelikte« seien lediglich eine Reaktion auf Ängste aus der Bevölkerung, deren Initiator islamistischer Terror sei und eine »Spirale der Gewalt« anschiebe.

Trotz des massiven Anstiegs rechtsmotivierter Straf- und Gewalttaten begegne das Landesamt für Verfassungsschutz diesen Tätern mit sogenannten Anklopf-Aktionen, bei denen »hessenweit Rechtsextremisten gezielt und unabhängig von konkreten Straftaten durch Verfassungsschutz und Polizei angesprochen werden«, heißt es. Ziel dieser Ansprachen sei es, der rechtsextremistischen Szene deutlich vor Augen zu führen, dass man sie »genau im Blick« habe.

Konkret verzeichnet der Verfassungsschutzbericht im Vergleich zu den Vorjahren einen massiven Anstieg von 513 Straf- und Gewalttaten im Jahr 2014 auf 659 im Jahr 2015, darunter Sachbeschädigungen und Nötigung/Bedrohung. Im Vergleich dazu nahm die Zahl der islamistischen Straf- und Gewalttaten im Jahr 2015 mit 54 deutlich ab (2014 waren es 69 Taten). Zwar stiegen linksmotivierte Taten ebenfalls rasant an (von 55 auf insgesamt 278), doch seien diese auf die Proteste rund um die Neueröffnung der EZB zurück zu führen, heißt es.

Trotz der steigenden Zahl rechter Straftaten sieht der Innenminister nun eine größere Bedrohung in islamistischen Extremisten, statt in rechtsextremen Brandstiftern und zieht zur Begründung unter anderem etwa Beispiele von Terroranschläge nach dem Untersuchungszeitraum heran, so zum Beispiel die Selbstmordattentate in Brüssel am 22. März diesen Jahres, oder die Attacken im fränkischen Ansbach, sowie im bayerischen Würzburg vor mehreren Wochen.

»Das CDU-geführte Innenministerium und seine Lieblingsbehörde Inlandsheimdienst wollen aus den Fehleinschätzungen zum NSU-Komplex mit größter Hartnäckigkeit nichts lernen«, kritisiert der innenpolitische Sprecher der LINKEN-Fraktion im Hessischen Landtag, Hermann Schaus. »Es ist bizarr, dass die abstrakte Gefahr durch Islamismus als zentrale Bedrohung in Hessen bezeichnet wird, während Gewalt, also z.B. Brandanschläge und der massenhafte Anstieg rechter Straftaten eine demgegenüber vollkommen untergeordnete Rolle spielen.«

Es sei kaum zu vermitteln, so Schaus, dass massenhaft gestiegene rechte Straf- und Gewalttaten, Hass und Bedrohungen gegen Flüchtlingshelfer, Journalisten, Parteien und Bürgermeister nicht als eine extreme Verschärfung der Bedrohung durch die rechte Szene gewertet würden. Schaus forderte eine Erklärung dafür, warum Terror durch rechte Brandstiftungen, Gewaltdelikte und Bedrohung hinter der abstrakten Gefahr des Islamismus zurück stehen solle. »Das Landesamt und die politisch Verantwortlichen in Hessen bleiben weiterhin auf dem rechten Auge blind!«

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